Aromatherapie in der Küche
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Aromatherapie in der Küche

von Gabriele Gugetzer
Donnerstag, 02.11.2017
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Die passenden Gewürze in der dunklen Jahreszeit verleihen jedem Gericht eine aromatische Authentizität. Die muss nicht ausschließlich auf dem Teller stattfinden, wie ein Blick in die Wohnhalle im Hamburger Traditionshotel Vier Jahreszeiten zeigt. Mit den Signalfarben rot und grün und Düften, die zwischen harzig-holzig, zitrussig und süßlich oszillieren, setzen Sie einladende Akzente der Vorfreude. Gewürze spielen dabei eine wichtige Rolle. Und natürlich kann das auch alles eine Nummer kleiner ausfallen.

Gewürze tun dem Körper gut

Nach der indischen Gesundheitslehre Ayurveda werden Gewürzen gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Unterschieden wird, vereinfacht gesagt, in wärmende und kühlende Gewürze. Kardamom, Pfeffer, Kreuzkümmel, Gewürznelke, Zimt gehören zu ersteren. Zimt wird in Kombination mit Ingwer und Kardamom beispielsweise bei Erkältungen eingesetzt. Muskatnuss gilt als probates Mittel bei Schwangerschaftsübelkeit. Anis ist schleimlösend, kein Wunder, dass die »Springerle« aus der Weihnachtsbäckerei (ein traditionelles Festtagsgebäck aus einem Anis-Eierschaumteig) bei Schiet- und Schmuddelwetter zum Hatschi-Einsatz kommen.

Gewürze – Mythen in Tüten

Aber: Alle paar Jahre wird eine neue Gewürzwarnung ausgesprochen. Sie erinnern sicherlich noch den »Skandal« um die Zimtkassie? Im Gegensatz zu Zimt enthält die auch als Cassia bekannte Gewürzrinde Cumarin. Schon klar, ein Gift. Mehr als zwei Gramm pro Tag, so die offizielle Empfehlung, solle man als Erwachsener bloß nicht über einen längeren Zeitraum zu sich nehmen! Aber wer je versucht hat, auch nur einen halben Teelöffel Cassiapulver im Mund zu behalten, weiß, dass solche Grenzwerte schlichtweg albern sind.

Anton Gschwendtner, aus Bayern stammend und Koch des Jahres in Österreich (er kocht im Hotelrestaurant »Das Loft« im Wiener Sofitel), schwört übrigens anstelle von Cassia oder Zimt auf Zimtblüte in der Weihnachtszeit. Das sind die Knospen des Cassiabaums. Sie schmecken intensiv süß; das typische holzige Aroma fehlt ihnen.

Im Bereich Zitrusfrucht ist er im Winter mit der grünen Yuzufrucht unterwegs, die ein Grundaromat der japanischen Ponzusauce (mit Sojasauce, Bonitoflocken) ist. Er kombiniert sie mit Bachforelle, verkohltem Lauch und Fromage Blanc. Zitrusaromen zu Weihnachten liebt auch Sebastian Hamester vom Strandhotel Fontana in Timmendorf. Küchentechnisch ist er zwar asiatisch-skandinavisch unterwegs. Aber »bei uns steht Weihnachten immer eine große Schale mit Mandarinen auf den
Tischen.« Simpel, unaufwendig, effektiv, chic, auch in der optisch reduzierten Küche.

Und vegan? Der Lanzenbrecher und Weltenbummler Jean-Christian Jury eröffnete 2007 mit dem La Mano Verde das erste vegane Restaurant von Berlin. Jetzt hat er ein Kochbuch zum Thema veröffentlicht (»Vegan« bei Phaidon). Ohne den Duft von Zimt ist für ihn Weihnachten nicht Weihnachten, aber auch er schätzt Asien auf dem Teller und empfiehlt Galangal in der winterlichen Küche.

Probieren Sie bitte Kardamom

In Indien gilt Kardamom als Topgewürz, während es bei uns ein Schattendasein führt, was daran liegen dürfte, dass man es blitzschnell überdosieren kann. Verwenden Sie beim schwarzen Kardamom ganze Kapseln. Die Schale löst sich beim Garen auf. Das beim Trocknen der Kapseln entstandene Raucharoma gibt gerade vegetarischen Speisen einen gewissen »Fleisch-Bumms«, der im Winter gut kommt; Chipotle-Chilis funktionieren übrigens ähnlich. Ein paar Spritzer Limettensaft balancieren den an Kampfer erinnernden Unterton von Kardamom aus.

Der grüne Kardamom ist nicht nur eine klassische Zutat in der Weihnachtsbäckerei, sondern gehört auch in den gewürzten indischen Chai Tee und harmoniert bestens mit Kaffeezubereitungen oder süßen Sachen mit Kaffeearoma.

Gewürze Mythen in Tüten
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Von Koch zu Koch

Profikoch Stevan Paul wurde erst Blogger (www.nutriculinary.com), dann Kochbuchautor. Er schaut einstigen Kollegen ständig in die Töpfe und ist für seine Kochbücher international unterwegs. Wacholder, Fenchelsaat, Zimt und Anis sind seine Lieblinge. Für sein aktuelles Kochbuch zur japanischen Alltagsküche (bei Hölker) besuchte er Tokio. Im Gepäck zurück war eine Gewürzmischung namens Shichimi Togarashi (siehe Kasten »Trickkiste«). »Das Gewürz passt hervorragend in unsere winterliche Gewürzwelt, vor allen Dingen zu Ente, Gans, Wild und Rotkohl.«

Soll’s Old School bleiben, empfiehlt er das Abschmecken mit winterlichen Gelees und Marmeladen. »Statt des Löffel Zuckers an den Rotkohl passt Orangen- oder Ingwergelee. Bratensaucen werden mit gewürztem Pflaumenmus komplexer.«

Was trinkt man zu gewürzbasierter Küche?

An Weihnachten können kräftige, intensivere Weine auf den Tisch: Barolo, Bordeaux und die Toskaner. Markus Budai vom Importeur Lobenberg (und Blogger – www.weinwisser.org) empfiehlt überdies Blau­fränkisch aus dem Burgenland. Sein Tipp für Weißweine: die nördliche Rhône. Champagner sollten mehr Hefelager und Fülle mitbringen, um gewürzbasierten Speisen Paroli zu bieten. Bei der Kostenproblematik empfiehlt er Mut zum Unbekannten. »Aus dem Bordeaux einen Cru Bourgeois, aus dem Burgund einen Pinot Noir aus Marsannay. Punkten Sie mit erschwinglicher Regionalität, vom Winzersekt über den Spätburgunder aus der Pfalz oder Baden. Und: Spanien hat ein fast unschlagbares Preisleistungsniveau für Rotweine.« Auch Stevan Paul bleibt in España. Er empfiehlt Sherries wie gehaltvolle Olorosos zu Schmorgerichten, dunklem Fleisch und dunklen Saucen und gut gekühlten PX oder Cream zu Stollen, Schokolade, Marzipan.

Wie ein Kino im Kopf

Gewürze erinnern uns an Kindertage, an festliche Zeiten, an Gemütlichkeit. Sie funktionieren, das wissen Psychologen und Wissenschaftler, wie Schlüsselreize. Verwöhnen Sie Ihre Gäste damit. Und da diese es heutzutage ja immer genau wissen wollen, können Sie anstelle von Zusatzstoffen einfach mal auf Wirkstoffe hinweisen. Frohe Weihnachten!

NameWirkungGeschmack
AnisSchleimlösend. Gut bei Erkältungen, Husten, Kopfschmerzen.Zwischen Fenchel und Lakritz
Chipotle-ChiliStärkend. Für das Immunsystem und bei Diabetes oder Herzerkrankungen.Herzhaft, rauchig, an Fleisch erinnernd
GewürznelkeVerdauungsfördernd. Gut bei Magendruck und Übelkeit.Würzig-kräftig. Vorsichtige Dosierung
Grüner KardamomAphrodisierend. Gut für die Durchblutung.Süß-pikant. Vorsichtige Dosierung
IngwerSchleimlösend. Gut bei Erkältungen, Übelkeit, Verdauungsproblemen.Fruchtig-scharf
KorianderVerdauungsfördernd. Gut auch bei Erkältungen.Zitronig-pikant
KreuzkümmelVerdauungsfördernd. Bei Magenkrämpfen und Blähungen (Hülsenfrüchte).Nussig-würzig
MacisAntibakteriell. Gut bei Appetitlosigkeit und schlechter Stimmung.Warm-pfeffrig
MuskatSchmerzlösend. Gut bei Arthritis, Verdauungsproblemen und Übelkeit.Süß-würzig
PimentEntzündungshemmend. Gut bei Verdauungsproblemen und Fieber.Zimt-Muskatnuss-Nelke
PfefferAntibakteriell. Gut bei Sinusitis und Verschleimung.Scharf-brennend
Schwarzer KardamomWärmend. Gut bei Asthma und Herzerkrankungen.Würzig, rauchig. Vorsichtige Dosierung
SternanisVerdauungsfördernd. Gut bei Koliken und Rheuma.Würzig, mit Lakritznote
ZimtstangeAntioxidativ. Gut bei erhöhtem Cholesterin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.Süß-holzig
ZitrusAntioxidativ. Stärkt das Immunsystem. Gut bei Bluthochdruck und Sodbrennen.Fruchtig-pikant
VanilleAntioxidativ. Gut bei erhöhten Cholesterin- und Leberwerten.Süß-aromatisch

Vanille: teurer als Sterlingsilber

Der Preis für Vanilleschoten ist in den vergangenen Jahren explodiert. Birger Schmidt-Wiking von Aust & Hachmann, die neben der Industrie auch Gastronomen und Eisdielen direkt beliefern, weiß, warum.

Das Grundprodukt ist sowieso teuer, erst kamen Missernten, dann eine künstliche Verknappung, sodass »aktuell Vanilleschoten teurer sind als Sterlingsilber,« erklärt er. »Die meisten Anbauflächen auf Madagaskar sind etwa so groß wie ein Schrebergarten«, weshalb man jetzt noch keine Ahnung hat, wie viel dort und in Uganda und Papua-Neuguinea 2017 geerntet wurde.

Die Ernte 2016 ist jedenfalls weg, heißt längst abverkauft. Coca-Cola, der weltweit größte Abnehmer von Vanille, zahle jeden Preis für die Schoten – »sonst könnten die ihren Laden auch gleich dichtmachen.« Gastronomen empfiehlt er nicht, auf Ersatzaromen aus der Industrie umzusteigen. »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Verbraucher nach dem echten Produkt sucht.« Er empfiehlt sofortige Bevorratung.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

Trickkiste: exotische Gewürzmischungen

Diese praktischen Gewürzmischungen kombinieren die wichtigsten Winter­aromen.

Baharat
Geräucherte Chili, Kreuzkümmel, Pfeffer, Koriander, Zimt, Muskat, Kar­damom.

Currypulver
Kurkuma, Lorbeer, Kreuzkümmel, Koriander, Ingwer, Pfeffer, Chili, ­Gewürznelke.

Dukkah
Haselnuss, Koriander, Kreuzkümmel, Pfeffer.

Fünf-Gewürze-Pulver
Sternanis, Sichuanpfeffer, Gewürznelke, Zimt, Fenchel.

Garam Masala
Kardamom, Pfeffer, Kreuzkümmel, Gewürznelken, Muskatnuss, Zimt.

Ras el-Hanout
Kreuzkümmel, Koriander, Zimt, Ingwer, Pfeffer, Kurkuma, Kardamom, Safran.

Shichimi Togarashi
Chili, Sansho-Pfeffer, Mohn, Hanf, ­Sesamsaat, Seetang, Mandarinenschale.

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