Privatkoch – ein Traumjob
von Sebastian Bütow
Christian Henze – am Herd der Ikone des Jetsets
Christian Henze ist zweifelsohne jemand, der es als Gastronom geschafft hat. Man kennt den 49-jährigen Witzigmann-Schüler und Sternekoch aus TV-Shows wie »Die Kocharena«, seine Kochschule wurde mehrfach ausgezeichnet, sie zählt zu den größten Deutschlands, er betreibt u. a. einen Online-Versand mit Feinschmeckerprodukten und beschäftigt aktuell 35 Mitarbeiter. Im Sommer eröffnet er ein neues Restaurant in Kempten, mit begehbarem Weinkeller, einer offenen Patisserie und Confiserie. Gemeinsam mit seiner Frau Pia, die die geschäftlichen Fäden zieht, stellte der gebürtige Füssener ein kleines Gastro-Imperium auf die Beine.
Eine frühe Station im Werdegang Henzes war ganz entscheidend für seinen Erfolg: Henze arbeitete als Privatkoch für Gunter Sachs, den legendären Tausendsassa und edlen Gentleman-Playboy. Der Mann, der mit Brigitte Bardot verheiratet war, dem fleischgewordenen Männertraum der 1960er-Jahre. Mit seinem Faible für weit geöffnete Hemdkragen, stets mit den allerschönsten Frauen an seiner Seite, verkörperte Sachs den gehobenen Jet-Set-Lifestyle wie kein anderer.
Mit 23 nach Saint-Tropez
Wie kam es zu dem Engagement? »Ich war damals 23, hatte schon in drei Sternerestaurants gearbeitet«, erinnert sich Christian Henze. Als er in dem legendären Münchner »Aubergine« tätig war, »dem damals besten Restaurant der Welt«, kam die Anfrage eines Headhunters. »Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, als Privatkoch zu arbeiten. Erst mal war ich nicht so angetan«, erinnert sich Henze. Dann verriet ihm der Headhunter, dass es sich bei dem Auftraggeber um keinen Geringeren als Gunter Sachs und seine Familie handelte.
»Ich habe mich bei ihm vorgestellt, erst bei seiner Frau und dann bei ihm, die Sympathie war sofort auf beiden Seiten da.« Sachs, der sich im Jahr 2011 im Alter von 78 Jahren das Leben nahm, hatte eine Affinität zur Astrologie. »Dass ich das Sternzeichen Krebs habe, war für ihn auch eine wichtige Basis für unsere Zusammenarbeit«, so Henze.
Wenige Wochen später landete Christian Henze in Saint-Tropez. »Meine Aufgabe war, nicht nur gut, sondern auch gesund zu kochen. Trennkost war damals in den Neunzigern sehr angesagt. Ich war nicht nur Privatkoch, sondern das Familienmitglied Christian, eine Vertrauensperson.« Henze hat einmal am Tag gekocht, meist war es das Mittagessen, weil abends häufig auswärts gespeist wurde. »In der Regel habe ich Menüs für drei Personen zubereitet, wenn wir unterwegs waren, eher für 15 bis 20.«
Mit dem Rolls-Royce zum Einkaufen
Förmliche Zwänge? Von wegen. »Beim Kochen war ich meistens mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet, das war ganz entspannt«, so Henze. In Saint-Tropez fuhr er dreimal pro Woche auf den Fischmarkt. Im kalifornischen Palm Springs – Sachs besaß weltweit Domizile – fuhr er mit einem Rolls-Royce Silver Ghost zum Einkaufen. Sylt, Saint-Tropez, Gstaad, Deauville – der Job führte den Koch zu den tollsten Orten der Welt. »Orte, die Gunter Sachs übrigens erst bekannt gemacht hat«, sagt Henze.
In der Küche mit Claudia Schiffer und Roman Polanski
Klar, dass sich im Hause Sachs Weltstars die Ehre gaben. »Mit Roman Polanski habe ich zusammen gekocht, er trank Rotwein in der Küche, ganz relaxed war das. Claudia Schiffer hat hier mal eben eine ganze Schokolade verputzt, ihr war einfach danach. Und Roger Moore hat viel Wert auf gute Weine gelegt«, erinnert sich Henze. Der James-Bond-Darsteller sei eine Persönlichkeit mit viel Aura gewesen. Sachs lud immer wieder zu Partys ein. »Das waren große rauschende Feste, mit viel Gastgeber-Mentalität, sehr großzügig«, erinnert sich der gebürtige Füssener. Nach zwei Jahren in Diensten des Jetsets kündigte Henze. »Weil ich alles gesehen habe – viel mehr, als ich mir erträumt hatte.«
Medialer Rückenwind
Mit 26 Jahren machte sich der Küchenprofi dann im Allgäu selbstständig– und startet seitdem durch. »Die Zeit bei Gunter Sachs war unvergesslich und wertvoll, ich habe unfassbar viel lernen dürfen, auch über das Leben an sich.« Als karriereförderlich erwies sich zudem das mediale Interesse, das seine Zeit als Privatkoch bei Gunter Sachs weckte.
Käme ein junger Koch auf ihn zu mit der Frage, ob er ein Angebot als Privatkoch annehmen solle, lautet Henzes Antwort: »Im Falle einer guten Adresse auf jeden Fall. Ich habe schon gehört, dass neureiche Arbeitgeber Privatköche manchmal mit Leibeigenen verwechseln. Privatkoch sein ist super, man sieht die Welt, aber man sollte darauf achten, ob der Arbeitgeber einen partnerschaftlich behandelt.«
Philipp Kohlweg – im Dauereinsatz für einen Milliardär
Der Österreicher Philipp Kohlweg, 36, ist aktuell beim Salzburger Gewürzunternehmen Wiberg im Team Inspiration tätig. Zuvor war er u. a. drei Jahre Küchenchef in Australien und kochte weltweit bei Formel-1-Rennen. Als Privatkoch zog es ihn vor zwölf Jahren nach Südfrankreich, nur einen Katzensprung von Monaco entfernt.
»Davor arbeitete ich im Team von Gordon Ramsay in London. Als ich England verlassen musste, weil das Visum meiner Freundin nicht verlängert wurde, fragte Ramsay mich, ob ich seinem Namen in Südfrankreich alle Ehre machen könnte – als Privatkoch eines Milliardärs.« Dessen Namen verrät Kohlweg nicht, aber so viel sei gesagt: »Ein sehr vermögender Mann mit rund 50.000 Angestellten. Man erlebt die Leute in Socken und Unterhose, lernt ihre Schwächen kennen, das möchte ich diskret behandeln.«
Noch härter als bei Gordon Ramsay
»Bei Ramsay hatte ich oft 17-Stunden-Tage, bin physisch und psychisch an meine Grenzen gegangen. Ich dachte, danach könne nichts Härteres mehr kommen. Rückblickend sage ich aber, dass mich die Zeit als Privatkoch sogar noch mehr herausgefordert hat als die Zeit bei Ramsay.«
Bevor ich den Job angetreten habe, verriet mir ein erfahrener Ex-Privatkoch: »Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du hast das gemütlichste Leben, musst selten kochen. Oder du erwischt einen Chef, der sieben Tage die Woche bekocht werden will.«
Letzteres war bei Kohlwegs Engagement der Fall. »Ich wollte das unbedingt machen – wegen der Herausforderung, für den Lebenslauf, für die Erfahrung. Mein Chef wollte eigentlich ständig bekocht werden«, so Kohlweg. Und finanziell? »Es war schon lukrativ, aber es ging mir mit Mitte 20 eher um die erneute Auslandserfahrung und die Herausforderung.«
Es war nicht leicht, den Chef kulinarisch glücklich zu machen
Die bestand darin, einen anspruchsvollen Mann, der das Interieur seiner Privatjets individuell designen ließ, kulinarisch glücklich zu machen, unter Berücksichtigung seiner geschmacklichen Eigenheiten: »Er mochte wenige Lebensmittel, Alkohol und Kräuter im Essen waren tabu.«
Es sei nicht immer leicht gewesen, an die allerbesten Lebensmittel zu kommen. »Bei dieser Dichte an exklusiver Kundschaft gab es nur eine begrenzte Anzahl an perfektem Steinbutt oder Wolfsbarsch. Man brauchte Connections, um da ranzukommen.«
»Er rief mich um ein Uhr nachts an«
Der Milliardär besaß einen eigenen Jachthafen. »Fast unangemeldet kamen dann größere Gruppen vorbei, ich hatte dann ein paar Stunden Zeit, um denen 6-Gänge-Menüs zu zaubern.« Es kam auch einmal vor, dass der Milliardär um ein Uhr nachts anrief, weil er hungrig heimkehrte und noch zu speisen wünschte.
Nach zwei Jahren hörte Kohlweg auf. »Nur ein glücklicher Mann ist ein guter Koch, und da unten war ich nicht immer nur glücklich«, so Kohlweg. »Nachdem ich weg war, hat er mich immer wieder kontaktiert, wollte mich zurück.«
»Man wächst als Koch und als Mensch«
Einen Job als Privatkoch würde Kohlweg auf jeden Fall empfehlen: »Auch wenn es anstrengend ist. Nur die Harten kommen in den Garten. Die Gastronomie ist nicht einfach, aber man kann in dieser Branche eine Menge erreichen. An Herausforderungen wie dieser wächst man, als Koch und als Mensch.«
Dominik Wetzel – im Dienste der Prinzessin
Auch Gastronom Dominik Wetzel, Inhaber von »Red Rock Cooking«, wurde vor seinem Privatengagement über einen Headhunter aufgespürt. Und gefragt, ob er sich vorstellen könne, die Prinzessin Alexandra von Schönburg-Hartenstein kulinarisch zu verwöhnen.
Seine allererste Herausforderung war ein Probekochen: »Da ist der Kühlschrank. Wir haben heute Abend acht Gäste, zauber’ doch mal etwas aus den Zutaten«, das war die Ansage vor Wetzels Sprung ins kalte Probekochen-Wasser.
»Privatkoch ist ein lukrativer Job«
Eine Woche später folgte die Zusage der Prinzessin. War das Angebot lukrativ? »Klares Ja! Ich spreche nicht über Honorare, aber das war schon ordentlich. Wer das ein paar Jahre macht, kann sich schon ein hübsches Sümmchen zur Seite legen«, sagt Wetzel. Das Engagement führte ihn unter anderem nach Gstaad und New York, er bekochte Weltstars wie Bruce Willis.
In New York drückte der Prinzessinnengatte Taki Theodorakopoulos, ein berühmter griechischer Journalist und erfolgreicher Sportler, dem leidenschaftlichen American-Football-Spieler Wetzel zwei Tickets für ein Spiel der Giants in die Hand. Gönnerhaft fügte Theodorakopoulos hinzu: »Du schaust dir jetzt erst mal zwei Wochen die Stadt an. Genieß es!«
Privatkoch-Community in Gstaad
Klar, als Privatkoch genießt man Privilegien, kann die besten Zutaten einkaufen, lernt die tollsten Persönlichkeiten kennen. Hat dieser vermeintliche Traumjob eigentlich auch Nachteile? »Man ist ziemlich auf sich allein gestellt«, sagt der 40-Jährige. »Eine Beziehung zu führen, ist schwierig, wenn man ständig im Haus des Auftraggebers kocht oder mit ihm durch die Weltgeschichte reist.« Aber in Gstaad habe sich eine Community der Privatköche gebildet. »Wir waren ungefähr zu zwölft, saßen mit unseren Jobs quasi im selben Boot, haben uns gegenseitig geholfen mit Einkaufstipps und Rezepten, verbrachten die Freizeit miteinander.«
Thomas Mudersbach – Privatkoch für Berlusconis rechte Hand
Auch Thomas Mudersbach, der in Berlin mit seiner Frau Conny das Lokal »May am Ufer« betreibt, erlebte aufregende Jahre als Privatkoch. Es begann, wie so oft, mit einem Zufall: »In den Neunzigern habe ich länger in Mailand gelebt, habe dort den Abendbetrieb eines Bio-Restaurants geleitet.« Bis Adriano Galliani, ein bekannter Medienunternehmer, jemanden suchte, der ihn und seine Frau zu Hause mit feinem Essen verwöhnt. Galliani war damals auch Vize-Präsident des ruhmreichen Fußballklubs AC Mailand – und galt als »rechte Hand von Silvio Berlusconi«.
Kein Bunga Bunga
Um es gleich vorwegzunehmen: Den berüchtigten Bunga-Bunga-Politiker hat Mudersbach nicht bekocht, Berlusconi war nie zu Gast. »Das war die Zeit, in der er in die Politik eingestiegen war«, sagt Mudersbach. »Außerdem sind die Leute zu Berlusconi gekommen – und nicht er zu den Leuten.«
Galliani habe damals einen Koch gesucht, der auf gesunde Küche spezialisiert ist. »Ich hatte ein Vorstellungsgespräch, musste zur Probe kochen. Offiziell war ich beim AC Mailand beschäftigt«, sagt Mudersbach – und kann sich ein leichtes Kichern nicht verkneifen.
Fußballweltstars verschmähten den Kaviar
Oft kamen berühmte Gäste in eine der beiden edlen Stadtwohnungen der Gallianis. »Zum Beispiel die holländischen Profifußballer Edgar Davids, Michael Reiziger und Patrick Kluivert, samt Ehefrauen und Spielerberatern. Deren Besuch war streng geheim, es wurde verhandelt«, erinnert sich der 55-Jährige. Als Galliani zum WM-Finale 1994 in Los Angeles flog, sahnte auch er eines der begehrten Tickets ab. Galliani bat mich vorher, ein Büfett vorzubereiten, edelster Kaviar sollte dabei nicht fehlen. Diesen hat aber keiner angerührt. Meinen Safranreis mit Erbsen und Scampi haben die aber komplett aufgegessen.«
Ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte
Die Bezahlung war ordentlich, besser als zuvor als Restaurantleiter – obwohl es de facto ein Halbtagsjob war. »Als es mich aus familiären Gründen zurück nach Deutschland zog, setzte Galliani sich mit mir – als wäre ich ein Fußballprofi – an den Tisch und verhandelte. ›Was kann ich tun, damit du bleibst?‹, fragte er mich.« Galliani habe ihm dann tatsächlich ein Angebot gemacht, dass Thomas Mudersbach nicht ausschlagen konnte, und so verlängerte er um eineinhalb Jahre.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
Fotos v.o.n.u.: iStockphoto; Christian Henze Kochschule & Restaurant / Lienert; Wiberg; Red Rock Cooking; May am Ufer